Thema: Erbschleicher Interview mit Prof. Dr. Thieler

Erste Frage:
Professor Doktor Thieler, Sie leiten das Forschungsinstitut Senioren- Wissenschaft der Kester
Häusler Stiftung.
Welche Auswirkung hat das Thema Angst auf die alten Menschen?

Thieler: Die Angststörung bei alten Menschen ist fast unerforscht, obwohl sie gerade bei
Erbschleicherfällen eine große Rolle spielt. Es muss immer geprüft werden, ob das Testament
ein Ergebnis einer Angststörung war

zweite Frage:
Prof. Thieler, können Sie Beispiele nennen, bei denen der Verdacht vorliegt, dass das
Testament durch eine Erzeugung von Angst entstand?
Thieler:
Ich denke hier an einen krassen Fall, bei dem ein älterer Herr ständig von Erbschleicher
umgeben war.
Seine Angst war, dass er allein mal nachts stirbt. Ich gehe davon aus, dass der Erbschleicher
diese Angst ordentlich geschürt hat. Der ältere Herr setzte dann die Putzfrau und den
Steuerberater als Erben ein, obwohl nähere Kontakte gar nicht bestanden. Im Testament
wurde sogar darauf hingewiesen, dass Bedingung der Wirksamkeit ist, dass in der Todesnacht
zumindest die Putzfrau anwesend ist. Sie war nicht anwesend. Das Amtsgericht München hat
ohne Beweisaufnahme dem Gutachter vertraut und das Millionen Erbe den beiden Personen
zugesprochen.

Dritte Frage: Prof. Dr. Thieler,
ist nicht auch die Angst vor dem Alleinsein ein Grund, dass der Erblasser ein Testament zu
Gunsten der Person macht, die vorgibt ihn vor dem Alleinsein zu bewahren.

Thieler:
In einer Fülle von Erbschleicherfällen haben wir gerade dieses Problem immer wieder
festgestellt. Der alte Mensch hat immer mehr Angst, je älter er wird, eines Tages völlig allein
zu sein. Die Angehörigen wohnen weit entfernt oder haben nicht die Zeit – teilweise durch
eigene Familie oder Beruf – sich ständig um den Erblasser zu kümmern.
Auf einmal taucht ein Sohn oder eine Tochter auf, die sich die letzten Jahre überhaupt nicht
gekümmert hat, zieht bei ihm ein und ist die Hilfe und der Ansprechpartner, den er sich
erträumt hat. Das erleben wir auch von alten Freunden, Nachbarn, Berufsträgern.
Es gibt hier keine menschliche Kategorie, die ausgeschlossen sein kann. Das Andocken
geschieht durch die völlig uneigennützige Spende der Zeit, die der Erbschleicher dem alten
Menschen schenkt!
Dann ist der Weg zum gewünschten Testament nicht weit!

4.Frage: Prof. Dr. Thieler,
kann auch eine Krankheit bei den alten Menschen Angst erzeugen?

Thieler:
Wir wissen auch dass gewisse Krankheiten bei alten Menschen Ängste erzeugen, die dann in
fataler Weise von den Erbschleichern durch Gespräche verstärkt werden. Ein besonderes
Beispiel ist die Demenz, die oft bei älteren Menschen Angst erzeugen lässt oder die Angst vor
Vermögensverlust.
Ganz großen Ängste liegen bei vielen Menschen vor, die in ihrem Leben nur gearbeitet haben
und auf einmal Angst haben, im Alter nichts mehr zu haben. Gerade die heutigen Einflüsse,
Angst vor Krieg, vor Energiekrise, vor Verteuerung bedeutet, dass die älteren Menschen noch
ängstlicher werden und noch hilfloser.

5.Frage: Prof. Thieler, was raten Sie bei Verdacht, dass das Testament durch Ausnützung von
Angststörrungen entstanden ist?

Thieler:
In erster Linie sollte man in Erbschleicherprozessen im Umfeld des älteren Menschen fragen,
ob eine derartige Situation vorhanden war. Die Erbschleicheropfer sollten unbedingt im
Rahmen eines Rechtsstreits auf diese Problematik hinweisen, die oft auch für viele Experten
unbekannt ist. Natürlich muss auch ein eingeschalteter Sachverständige auf diese Problematik
hingewiesen werden, wenn zu dem Thema Tatbestände bekannt wurden.

6. Frage: Prof. Thieler, wie kann man im Vorfeld derartige Erbschleicherei, die die
Angststörung ausnutzt verhindern?

Thieler:
Hier kann ich nur den Angehörigen raten:
Nehmen Sie sich die Zeit und befragen Sie gerade nach dieser Thematik die älteren Menschen
oder ihre Angehörigen.
Suchen Sie nach Wegen, um die Ausnützung der Angststörung zu verhindern.
Überlegen Sie, wie Sie eine gewisse Beschäftigung ihrem Familienangehörigen, der mit
seinem Alter nicht zurechtkommt, verschaffen können.
Intensivere Gespräche können die Erbschleicherei verhindern!