Wenn Betreuung zum Alptraum wird (Artikel aus der Fliege Zeitschrift)

Am 04.06.2012 – leider erst um 23.30 Uhr – wurde von der ARD eine Betreuungssendung ausgestrahlt, die nach wie vor sich lohnt in der ARD Mediathek anzusehen. Die Sendung führte zu einer Unzahl von Anfragen bei mir, weil in dieser Sendung das Unrecht des Betreuungsrechtes sich an Hand von Fällen, die sich in der Öffentlichkeit wirklich zugetragen haben drastisch wiederspiegelte. Ich möchte an dieser Stelle auch die einzelnen Fälle nochmal erläutern, weil sie so dramatisch zeigten, welch unglaubliche Eingriffe das Betreuungsrecht in das Leben der Menschen innerhalb von einer Sekunde nehmen kann.

Der Fall der älteren Dame, die gegen den Willen einer ihrer drei Töchter ein Haus in Italien verkaufte.

 

Das Schicksal der älteren Dame kam in der Fernsehsendung deutlich zum Vorschein. Was besonders offensichtlich und auffällig war, war dass die ältere Dame nicht den geringsten Eindruck einer Betreuungsbedürftigkeit machte. Wollen wir Sie mal Frau N nennen. Frau N hatte Zeit ihres Lebens gearbeitet und hatte nicht im Traum daran gedacht, dass sie eines Tages überhaupt keine Rechte mehr hat.

Das Betreuungsrecht soll zwar eine Hilfe in Fällen sein, in denen sich ein Mensch nicht mehr selbst helfen kann. Doch hier wurde deutlich, dass das Betreuungsrecht auch Menschenrechte vernichten kann. Frau N hatte Zeit ihres Lebens gearbeitet und hatte ein sorgenfreies Alter zu erwarten. Sie freute sich auf ihre drei Töchter und sicherlich auch auf die Enkelkinder und auf ein ruhiges Leben im Alter.

Sie verkaufte ein Haus in Italien und erst aufgrund dieses Hausverkaufs kam es zu Streitigkeiten unter den Töchtern, weil eine Tochter meinte, dass sie von dem Hausverkauf zu wenig Geld bekam. Das große Problem an dem Fall war, dass diese Tochter, den Antrag beim Gericht stellte, dass ihre Mutter unter Betreuung gestellt wurde. Ab diesem Zeitpunkt brach eine Lawine von Unverständnis auf Frau N herein. Die beiden Töchter, in deren Nähe sie wohnte, waren immer bereit der Mutter bis zum Lebensende zu helfen. Nun kam auf einmal ein fremder Betreuer, der vom Gericht eingesetzt wurde. Ein vom Gericht beauftragter „Sachverständiger“ (?!) erklärte, dass die Betreuungsbedürftigkeit gegeben ist. Er machte es sogar noch schlimmer, er erklärte, dass sie nicht mal in der Lage ist, ihre eigenen Angelegenheiten vollständig zu lösen. In einem solchen Fall gibt es die verschärfte Betreuung, nämlich eine Betreuung unter Einwilligungsvorbehalt. Letztendlich bedeutet diese Betreuung, dass die Geschäftsfähigkeit vorloren geht. Frau N konnte nicht mal mehr Geld abheben. Sie durfte nicht mehr über ihr Vermögen verfügen. Der Betreuer wurde auch eingesetzt für die Fragen der ärztlichen Versorgung, die Frau N mit Sicherheit ihr Leben lang mit ihren Töchtern geregelt hätte. Auch über ihren Aufenthalt kann Frau N künftig nicht mehr selbst entscheiden. Gegen diese Betreuung wurde dann durch zwei Instanzen bei Gericht gekämpft. Frau N hat beide Instanzen verloren. Der Richter bestätigte in der Fernsehsendung, dass er nach Recht und Gesetz gehandelt hat. Doch wo bleibt die Menschlichkeit? Hat der Richter wirklich soviel Ahnung, dass er unterscheiden kann, ob er hiermit wirklich Frau N eine Unterstützung für den Rest ihres Lebens geleistet hat. Das Betreuungsrecht soll Menschen im Leben unterstützen und helfen mit schwierigen Situationen auszukommen. Das Betreuungsrecht dient nicht dazu, die Menschenrechte den Menschen wegzunehmen. Sehen Sie sich selbst den Fall an und denken Sie darüber nach, wie schnell so etwas in Ihrer Familie passieren kann. In diesem Fall ist nicht nur die Familie nunmehr zerrüttet, da die Töchter miteinander nicht mehr reden, sondern das Leben von Frau N ist zerstört. Die beiden Töchter, die in der Nähe von Frau N wohnen haben genauso wenig Verständnis wie Frau N für die Lebenssituation, in der nunmehr ein fremder Mensch alles regelt, was sonst seit Jahrzehnten in der Familie geregelt wurde. Die meisten bedenken nicht, dass im Betreuungsrecht von heute auf morgen ein fremder Mensch in die Wohnung kommt und hält quasi Hausrecht erhält. Er hat das Recht einen Schlüssel für die Wohnung zu bekommen, er kann die Wohnung tagtäglich betreten, er entscheidet über Geldausgaben oder über Geschenke, er entscheidet über den Aufenthalt und über die ärztliche Versorgung. Meist wird in den Betreuungsbescheiden auch geregelt, dass er keine Post und kein Telefon mehr benutzen darf. Die Menschenrechte landen in den Gerichtsakten. Die Menschenrechte gehen hierdurch verloren.

Der zweite Fall im Fernsehen war genauso dramatisch. Herr X, so wollen wir ihn mal so nennen, bekam einen Schlaganfall und war ein Pflegefall. Seine Tochter und Ehefrau wollten ihn pflegen. Es wurde dennoch ein Betreuer vom Gericht bestellt. Der Betreuer setzte sich über alle Menschenrechte hinweg und behauptete, dass Herr X in der Familie misshandelt wird und unter Lebensgefahr steht. Er verfügte, dass er in ein Heim kommt. Die Familie kämpfte darum, dass der Vater zurückkommt, weil sein Zustand durch den Heimaufenthalt sich immer mehr verschlechterte. Der Betreuer, der vom Gericht eingesetzt wurde, wollte seinen Posten nicht aufgeben. Hätte nicht ein Pfarrer sich bereit erklärt, die Betreuung anstelle des bisherigen Betreuers zu übernehmen, dann hätte die Familie ihren Vater verloren. Auch dieser Fall kann tagtäglich vorkommen. Wir kennen Fälle, in denen Menschen, die unter Betreuung standen, in Heime abgeschoben wurden und die Angehörigen erhielten Hausverbot. Sie konnten ihren lieben Angehörigen erst wieder sehen, als dieser verstorben war.