Ausschlagung einer Erbschaft durch Sozialhilfeempfänger

In bestimmten Fällen kann das Sozialrecht im erbrechtlichen Bereich relevant werden. Denn wenn sich ein Einzelner an den Staat wendet, um Leistungen zur Sicherung seines Existenzminimums zu beantragen, so ist er gehalten, primär eigene Vermögenspositionen für seine Lebensführung zu nutzen und zu verwerten. Die staatliche Hilfe soll schließlich nur dann hilfsweise zur Verfügung stehen, wenn auf andere Weise der Lebensunterhalt nicht garantiert werden kann. Da aber ein erbrechtlicher Anspruch eine Vermögensposition darstellt, wird ein solcher immer zunächst realisiert werden müssen, bevor Sozialleistungen vom Staat gewährt werden können. Mit anderen Worten: Wer durch eine Erbschaft zu Geld kommt, kann sich nicht als Bedürftiger an den Staat wenden, um Sozialleistungen zu erhalten, bis er die ihm zugedachten Vermögenswerte verbraucht hat.

Schlägt ein Sozialhilfeempfänger aber eine Erbschaft aus und bleibt er deshalb hilfebedürftig, so ist die Ausschlagung in der Regel sittenwidrig. Der Sozialhilfeempfänger nehme die verfassungsrechtlich verbürgte Solidarität der staatlichen Gemeinschaft in Anspruch. Lehne er aber die sich ihm bietende Möglichkeit des Erwerbs von Vermögenswerten und damit den möglichen Wegfall der Hilfebedürftigkeit gleichzeitig ab, so verstoße er gegen den Solidaritätsgedanken. Dies sei sittenwidrig, entschied das OLG Hamm am 16.7.2009 (Az. I 15 Wx 85/09).
Es ist davon auszugehen, dass bei den Sozialgerichten die gleiche Ansicht vertreten wird. Die ausschlagende Person wird also mit dem Verlust von Sozialleistungen rechnen müssen.

Die Rechtsprechung des OLG Hamm befindet sich damit gewissermaßen im Widerspruch zu der Ansicht, die der Bundesgerichtshof in Bezug auf Behindertentestamente vertritt. Mit einem solchen Testament, soll erreicht werden, dass einem Behinderten ein Mindestmaß an Vermögensvorteilen aus dem Nachlass erwachsen kann, dieser aber nicht seine Bedürftigkeit in Bezug auf etwaige Sozialleistungen verliert. Ein solches Testament ist nach Ansicht des BGH gerade nicht sittenwidrig. Damit ist diese Form der Testamentsgestaltung ein sicherer Weg, beide Ziele zu erreichen. Aufgrund des Ineinandergreifens von Sozial- und Erbrecht und der vielen komplexen Rechtsfragen, die sich beim Abfassen eines solchen Testaments stellen können, ist dabei eine anwaltliche Beratung aber unbedingt zu empfehlen.

Tanja Stier
Rechtsanwältin