Das Testament auf einem Notizzettel

termin.jpgDas Bayerische Oberste Landgericht hatte sich mit einem sehr komplizierten Fall zu beschäftigen, in welchem die Erblasserin über 19 Testamente errichtet hatte und sich insgesamt sieben Personen darüber stritten, welches Testament gültig sei (Beschluss vom 4.2.200, Aktenzeichen: 1Z BR 16/99): Der Nachlass der am 23.7.1997 im Alter von 74 Jahren verstorbene Erblasserin bestand aus einer Eigentumswohnung und einem beträchtlichen Bankguthaben. Die Erblasserin hatte in den Jahren 1972 bis 1987 vier notarielle Testamente errichtet, die in amtlicher Verwahrung waren. In den Jahren 1989 bis 1994 hatte sie 15 handschriftliche Testamente verfasst, die zum Teil in amtlicher Verwahrung waren. Die anderen Testamente wurden bei ihrem Nachlass gefunden und an das Gericht ausgehändigt. Außerdem wurde im Nachlass ein Notizbuch gefunden, in welchem die Erblasserin unter der Überschrift „Mein letzter Wille“ am 6.9.1994 eigenhändig ge- und unterschrieben eine Stiftung zum Alleinerben einsetzte. Das Landgericht sah diese Erklärung als gültiges Testament an und setzte die Stiftung als Erben ein. Das Landgericht begründete seine Entscheidung damit, dass das Testament der Form entspräche, da es eigenhändig ge- und unterschrieben wurde. Der Wille der Erblasserin, dass diese Erklärung ein Testamen ist, ergäbe sich laut dem Gericht bereits aus der Überschrift. Auch die ungewöhnliche Schreibunterlage spricht nicht gegen diesen Willen, da die Erblasserin auch schon früher ein Testament auf einem Briefumschlag errichtet hat. Letztendlich sei aber entscheidend, dass die Erklärung im Notizbuch von ihr unterschrieben wurde. Daraus würde sich nach Ansicht des Landgerichts der eindeutige Testierwille der Erblasserin schließen lassen .Das Bayerische Oberste Landgericht war jedoch der Ansicht, dass es sich bei der Erklärung im Notizbuch nicht um ein Testament handele. Das Gericht verwies auf seine frühere Rechtsprechung, wonach kein Zweifel daran bestehen dürfe, dass der Erblasser seine Erklärung als ein Testament sieht. Bei handschriftlichen Erklärungen dürfe man diesen Willen aber beispielsweise auf keinen Fall daraus schließen, dass die Erklärung der Formvorschrift des § 2247 BGB entspräche. Auch bei der Einhaltung der Form müsse es eindeutig sein, dass der Erblasser in der Erklärung nicht einen bloßen Entwurf sehe, der nur eine andere Erklärung vorbereite oder der unverbindlich sei. Für eine solche Entscheidung müssten vom Gericht alle erheblichen Umstände herangezogen und ausgelegt werden. Auch solche Umstände, die nicht in Urkunden zu finden seien, würden dazu gehören; ebenso wie die allgemeine Lebenserfahrung. Diesem Erfordernis sei, so das BayObLG, das Landgericht nicht nachgekommen. Es hätte bei seiner Beurteilung auch die anderen Testamente heranziehen müssen. Dann hätte es erkannt, dass die Erblasserin diese häufig so formuliert hat, dass ihr Wille erst noch vom Nachlassgericht hätte vollzogen werden müssen. Sie habe in diesen Testamenten nämlich des öfteren geschrieben:„Bitte…enterben sie diese Leute“, „Bitte enterben sie A., G. und den 35 Jahre alten J…“, „Also bitte kein Erbrecht der Frau V…bitte das berücksichtigen“. Diese eigentümlichen Formulierungen deute darauf hin, dass die Erblasserin dachte, dass eine Erbeinsetzung erst dann wirksam sein würde, wenn sie dies dem Nachlassgericht mitteile. Außerdem spräche es auch gegen die Annahme eines Testaments, dass die Erblasserin in den dem Nachlassgericht zur Verwahrung gegebenen Testamenten vom 22. und 23.9.1994 nochmals Verfügungen traf, die sie bereits am 6.9.1994 im Notizbuch niedergeschrieben hatte. Da genügend Zweifel daran bestünden, dass die Erklärung im Notizbuch ein Testament sein soll, müssten die wirklichen Erben mit Hilfe der anderen Schriftstücke ermittelt werden.