Was bedeutet der Begriff Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Die Höhe des Pflichtteils richtet sich nach dem Nachlasswert zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers, § 2311 BGB. Falls der Erblasser davor Dritte beschenkt hat, vermindert sich der Wert des Nachlasses, bzw. er kann u. U. dadurch komplett ins Leere gehen. Nach dem Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts soll der Erblasser aber die durch das Pflichtteilsrecht garantierte Mindestbeteiligung seiner nahen Angehörigen am Nachlass möglichst nicht schmälern oder gar vernichten können. Für diese Fälle sieht das Gesetz nach § 2325 BGB den Pflichtteilsergänzungsanspruch vor. Es handelt sich dabei um einen Ausgleichsanspruch eines Pflichtteilsberechtigten der dadurch erreicht wird, dass beim Erbfall die Schenkungen des Erblassers der letzten 10 Jahre dem noch vorhandenen Nachlass hinzugerechnet werden, so als ob sie noch im Vermögen des Erblassers vorhanden gewesen wären. Die Differenz kann der Pflichtteilsberechtigte entweder gegen die Erben geltend machen oder, falls dies nicht möglich ist, gegen den Beschenkten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, § 2329 BGB. (Ausnahme: Pflicht- und Anstandsschenkungen)

Wichtig ist, dass es sich überhaupt um eine Schenkung handelt. Unter Schenkungen im Sinne des § 2325 BGB fallen auch gemischte oder verschleierte Schenkungen. Häufiger praktischer Streitpunkt ist die Frage, ob tatsächlich „Unentgeltlichkeit“ – als Voraussetzung einer Schenkung – vorliegt. Denn Unentgeltlichkeit und damit der Begriff „Schenkung“ ist dann zu verneinen, wenn der Beschenkte eine Gegenleistung erbringt. Praktisch besonders bedeutsam sind hier u. a. die Fälle, in denen der Beschenkte im Gegenzug die Pflege des Erblassers übernimmt. Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine solche Gegenleistungsvereinbarung auch nachträglich geschlossen werden. Dies hat zur Folge, dass es sich dann nicht um eine Schenkung handelt und deshalb u. U. kein Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht.

Grundsätzlich ist die Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen in der Praxis oft mit besonders schwierigen Darlegungs- und Beweislastproblemen behaftet.

Verdeutlicht wird dies beispielsweise durch OLG München, Urteil vom 31.07.2019, AZ: 7 U 3222/18:

Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Erblasser eine Schenkung i. S. v. § 516 BGB gemacht hat. Dies bedeutet eine Zuwendung, die den Empfänger aus dem Vermögen des Erblassers bereichert und bei der beide Teile darüber einig sind, dass sie unentgeltlich erfolgt (BGH, Urteil v. 14.03.2018, AZ: IV ZR 170/16).

„Der Pflichtteilsberechtigte trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für den Nachweis einer Schenkung. Aufgrund des Umstands, dass dieser Nachweis mit kaum überwindbaren Schwierigkeiten verbunden sein kann, besteht eine erhöhte Darlegungslast des Beschenkten als Anspruchsgegner. Dieser muss für die fehlende Unentgeltlichkeit maßgeblichen Tatsachen im Rahmen des substanziierten Bestreitens der Unentgeltlichkeit vortragen.“