Einstellung der künstlichen Ernährung

med_2.jpgIst ein Patient aufgrund eines Gehirnschadens nicht mehr einwilligungsfähig und hat sein Leiden einen irreversiblen Verlauf genommen, dann müssen lebenserhaltende Maßnahmen unterbleiben, wenn dies in einer Patientenverfügung ausdrücklich festgelegt wurde. Ist für einen Patienten aber ein Betreuer bestellt, dann kann er nicht ohne Einwilligung des Vormundschaftsgerichts über die Einstellung der künstlichen Ernährung entscheiden.
Der Bundesgerichtshof hatte sich mit einem Fall zu beschäftigen, bei welchem ein Sohn für seinen schwer kranken, nicht mehr ansprechbaren und im Krankenhaus liegenden Vater als Betreuer u.a. für die Aufgabenbereiche Gesundheitssorge und Behördenvertretung bestellt wurde. Da sich der Zustand des Vaters nicht besserte und er künstlich ernährt werden musste, beantragte der Sohn beim Amtsgericht die Einstellung der künstlichen Ernährung. Er verwies bei seinem Antrag auf eine Patientenverfügung seines Vaters, in welcher es unter anderem heißt:

Verfügung:
Für den Fall, dass ich zu einer Entscheidung nicht mehr fähig bin, verfüge ich:
Im Fall meiner irreversiblen Bewusstlosigkeit, schwerster Dauerschäden meines Gehirns oder des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers oder im Endstadium einer zum Tode führenden Krankheit, wenn die Behandlung nur noch dazu führen würde, den Vorgang des Sterbens zu verlängern, will ich:

• keine Intensivbehandlung,
• Einstellung der Ernährung,
• nur angst- oder schmerzlindernde Maßnahmen, wenn nötig,
• keine künstliche Beatmung,
• keine Bluttransfusionen,
• keine Organtransplantation,
• keinen Anschluss an eine Herz-Lungen-Maschine.
• Meine Vertrauenspersonen sind…(Name des Sohnes)

Diese Verfügung wurde bei klarem Verstand und in voller Kenntnis der Rechtslage unterzeichnet.
Lübeck, den 27. November 1998, Unterschrift“

Das Amtsgericht und das danach zuständige Landgericht haben den Antrag des Sohnes jedoch abgelehnt, da keine Rechtsgrundlage bestehe.
Das daraufhin zuständige Oberlandesgericht legte den Fall dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor, da hinsichtlich der hier gegebenen Problematik eine widersprüchliche Rechtsprechung existiert. Die Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe sind nämlich zum Beispiel der Ansicht, dass für einen Ernährungsabbruch bei einem nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten neben der Einwilligung des Betreuers auch eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nötig sei.Der Bundesgerichtshof entschied, dass zwar auf der einen Seite der Betreuer an den Willen des Patienten gebunden ist, dass aber zusätzlich eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nötig ist. Der Sohn könne als Betreuer nicht ohne diese Genehmigung eine lebenserhaltende oder -verlängernde Behandlung verweigern. Wichtig ist aber, dass das Vormundschaftsgericht nur das Verhalten des Betreuers zu überprüfen habe und es der Entscheidung des Betreuers die Behandlung einzustellen zustimmen müsse, wenn folgendes feststeht:
• Die Krankheit des Patienten hat einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen und
• Die ärztlich angebotene Behandlung widerspricht dem erklärten Willen des Patienten.
Durch dieses Zustimmungserfordernis würde, so der Bundesgerichtshof, dem Betreuer eine ihm aufgebürdete Last abgenommen werden. Außerdem würde dadurch seine Entscheidung legitim werden und ihn vor einer abweichenden strafrechtlichen Beurteilung schützen.