Es stellt sich die Frage, was mit dem Erbrecht des Ehegatten passiert, wenn das Scheidungsverfahren zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits eingeleitet war, jedoch noch nicht abgeschlossen. Prinzipiell gilt, dass das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen ist, wenn die Voraussetzungen einer Scheidung zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers gegeben waren und der Erblasser die Ehescheidung beantragt hat. Lagen jedoch die Voraussetzung für eine einvernehmliche Scheidung bei Erbfall nicht vor, so ist das Ehegattenerbrecht nur dann ausgeschlossen, wenn festgestellt wird, dass das Scheidungsverfahren ohne den Tod eines Ehegatten fortbetrieben worden wäre. Zudem müssen die Voraussetzungen für eine Scheidung zum Todeszeitpunkt vorgelegen haben. Hierzu gehört, dass das Scheitern einer Ehe festgestellt wird. Das Scheitern einer Ehe wird dann unwiderlegbar vermutet, wenn die Ehegatten seit mindestens einem Jahr getrennt leben und beide die Scheidung beantragt haben oder ein Ehegatte der Scheidung aufgrund des Scheidungsantrages des anderen Ehegatten zustimmte. In allen anderen Fällen müssen die Scheidungsvoraussetzungen individuell geprüft werden. Hierbei kann insbesondere die Trennungszeit als Indiz herangezogen werden. Je länger die Trennung zum Zeitpunkt des Erbfalles bereits andauerte, desto unwahrscheinlicher ist die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft.
Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die Scheidungsvoraussetzungen zum Todeszeitpunkt des Erblassers bereits vorlagen, so ist der überlebende Ehegatte so zu behandeln, als wäre die Scheidung bereits vollzogen worden – er verliert sein Ehegattenerbrecht.
Tanja Stier Rechtsanwältin