Verlust des Pflichtteils wegen unsittlichem Lebenswandel

Erbschaft_1.jpgDas Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg entschied mit Urteil vom 11.06.1987 (Aktenzeichen: 10 U 132/86), dass die praktizierte Homosexualität des Sohnes kein Grund zur Entziehung des Pflichtteils durch den Vater gemäß § 2333 Nr. 3, § 2333 Nr. 5 BGB sei.
§ 2333 BGB
Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen:
1. wenn der Abkömmling dem Erblasser, dem Ehegatten oder einem anderen Abkömmling des Erblassers nach dem Leben trachtet,
2. wenn der Abkömmling sich einer vorsätzlichen körperlichen Misshandlung des Erblassers oder des Ehegatten des Erblassers schuldig macht, im Falle der Misshandlung des Ehegatten jedoch nur, wenn der Abkömmling von diesem abstammt,
3. wenn der Abkömmling sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder dessen Ehegatten schuldig macht,
4. wenn der Abkömmling die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt,
5. wenn der Abkömmling einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel wider den Willen des Erblassers führt.

Lebt der erwachsene homosexuelle Sohn in einer dauerhaften gleichgeschlechtlichen Beziehung, so rechtfertige dies allein nicht die Entziehung des Pflichtteils durch den Vater. Eine gleichgeschlechtliche Dauerbeziehung erfülle nämlich, so das Gericht nicht die Voraussetzungen eines "ehrlosen und sittenlosen Lebenswandels". Dies gelte sogar dann, wenn dies aus der Sicht des Erblassers so sein mag. Was ein ehrloser und sittenloser Lebenswandel ist, sei – unter Berücksichtigung der Lebensführung und des sittlichen Verständnisses des Erblassers und seiner Familie – nach den objektiven Wertvorstellungen der Gesellschaft zu bestimmen. Insoweit lasse sich jedenfalls nach der heutigen Gesellschaftsauffassung eine allgemeingültige Wertvorstellung, dass das Zusammenleben von Personen gleichen Geschlechts in einer Wohnungsgemeinschaft sittlich anstößig sei, nicht mehr feststellen.