Der Erblasser hat neben zahlreichen anderen Möglichkeiten auch die Möglichkeit, einen Vorerben sowie einen Nacherben zu bestimmen. Hierdurch kann der Erblasser die Weitergabe seines Vermögens über mehrere Generationen hinweg bestimmen.
Entscheidet sich der Erblasser für die Vor- und Nacherbschaft, so erlangt der Vorerbe beim Erbfall, also dem Tod des Erblassers, den Erbteil zunächst persönlich. Bei dem Tod des Vorerben fällt jedoch das Erbe nicht den Erben des Vorerben zu, sondern dem zuvor vom Erblasser bestimmten Nacherben. Für die Nacherbfolge ist es demnach charakteristisch, dass es eine zeitliche Aufeinanderfolge verschiedener Erben desselben Erblassers hinsichtlich derselben Erbschaft gibt.
Um sicherzustellen, dass der Nachlass tatsächlich in der vom Erblasser beabsichtigten Form weitergegeben wird, bildet das vererbte Vermögen in der Hand des Vorerben ein rechtlich getrenntes Sondervermögen. Über dieses kann der Vorerbe nur in begrenztem Umfang verfügen.
a) Wie wird die Nacherbfolge herbeigeführt?
Die Anordnung der Nacherbfolge kann durch letztwillige Verfügung- also durch Testament oder Erbvertrag- erfolgen.
Für die genaue Ausgestaltung billigt das Gesetz dem Erblasser einen großen Gestaltungsspielraum zu. Er kann zunächst eine beliebige Person als Vorerben bestimmen; damit legt er fest, dass diese nach seinem Tod zunächst alleiniger Erbe wird, dass also die Vorerbschaft eintritt. Weiterhin kann der Erblasser die Einzelheiten der Nacherbfolge regeln, also eine Person als Nacherben einsetzen sowie den Zeitpunkt bestimmen, in dem diese das Erbe antreten soll. Zudem kann er die Einsetzung des Nacherben von einer bestimmten Bedingung oder Befristung abhängig machen. Dies ist besonders interessant für den Erblasser, wenn er den potentiellen Nacherben zu einem von ihm gewollten Verhalten (etwa den Abschluss einer Ausbildung) veranlassen oder die Realisierung seines letzten Willens nicht durch familiäre Veränderungen nach seinem Tod (etwa die Wiederverheiratung des ursprünglichen Erben) beeinflussen lassen möchte.
Wenn eine ausdrückliche Bestimmung des Erblassers fehlt, so ist zunächst sein Testament auszulegen. Dabei ist nicht allein der Wortlaut der Verfügung zu berücksichtigen, da der Erblasser häufig nicht über fundierte juristische Fachkenntnisse verfügt und daher auch die genaue Bedeutung der von ihm verwendeten Begriffe nicht kennt. Vielmehr muss das Testament im Hinblick auf die Frage untersucht werden, welche Rechtsfolgen der Erblasser damit herbeiführen wollte und welche wirtschaftlichen Ergebnisse er angestrebt hat. Voraussetzung ist nur, dass sich aus dem Testament ein wie auch immer gearteter Anhaltspunkt für den Willen des Erblassers ergibt. So müssen die Begriffe „Vorerbe“ oder „Nacherbe“ in der letztwilligen Verfügung nicht verwendet werden. Entscheidend ist, dass der Erblasser in seiner Erklärung erkennbar eine mehrmalige Vererbung, also einen mindestens zweimaligen Anfall der Erbschaft, gewollt hat.
Führt auch die Auslegung des Testaments zu keinem eindeutigen Ergebnis, so enthält das Gesetz bestimmte Auslegungsregeln, anhand derer solche Lücken geschlossen werden können. So gilt nach dem Gesetz die Nacherbfolge im Zweifel immer dann als angeordnet, wenn eine zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht gezeugte Person als Erbe eingesetzt wird. Auch wenn der Erblasser anordnet, dass der Erbe den Nachlass mit dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder Zeitpunktes an einen Dritten herauszugeben hat, geht das Gesetz von Nacherbfolge aus. Hat der Erblasser die Person des Vor- oder des Nacherben nicht näher bestimmt, so hilft auch hier das Gesetz: Als Nacherben sind im Zweifel die gesetzlichen Erben des Erblassers (also die nächsten Verwandten, in der Regel Kinder und Ehegatten) eingesetzt; auch wenn der Vorerbe nicht genauer bestimmt ist, sind dies die gesetzlichen Erben. Schließlich wird auch der Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge hilfsweise vom Gesetz festgelegt: Fehlt hier eine Bestimmung des Erblassers, so tritt die Nacherbfolge mit dem Tod des Vorerben ein.
b) Welche Stellung hat der Vorerbe, solange die Nacherbfolge nicht eingetreten ist?
Mit dem Tod des Erblassers- dem Erbfall- fällt die Vorerbschaft dem Vorerben zu. Sie bildet dabei auf dessen Seite ein rechtlich getrenntes Sondervermögen. Der Vorerbe hat allein die Erbenstellung inne, mit allen rechtlichen Konsequenzen: Ihm gebühren die vollen Nutzungen der Erbschaft, also Gewinne, Zinsen und Dividenden; im Gegenzug hat er die gewöhnlichen Erhaltungskosten der Erbschaft zu tragen. Er ist Eigentümer und Inhaber dessen, was mit dem Nachlass verbunden ist und kann im Grundsatz frei darüber verfügen.
Allerdings unterliegt er, um den späteren Übergang des Vermögens auf den Nacherben zu gewährleisten, bei dem Umgang mit der Erbschaft gewissen gesetzlichen Beschränkungen: Er muss dem Nacherben die Substanz des vererbten Vermögens erhalten und darf den Nachlass oder Gegenstände daraus nicht selbst weitervererben. Verfügungen über Grundstücke, die Aufnahme von Hypotheken oder Grundschulden darauf und Schenkungen aus dem Nachlass kann der Vorerbe nicht ohne die Zustimmung des Nacherben vornehmen- diese sind sonst unwirksam. Lediglich bei solchen Verfügungen, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Erbschaft erforderlich sind, insbesondere, wenn der Vorerbe Schulden aus dem Nachlass zu begleichen hat, ist der Nacherbe zur Einwilligung gesetzlich verpflichtet. Der Erblasser hat auch die Möglichkeit, den Vorerben von den genannten Beschränkungen und Verpflichtungen zu befreien. Von einer solchen Befreiung geht das Gesetz aus, wenn dem Nacherben durch das Testament nur das zugesprochen wird, was von der Erbschaft bei dem Eintritt der Nacherbfolge noch bleibt oder wenn die Erbschaft dem Vorerben zur freien Verfügung zugedacht ist.
c) Was geschieht beim Eintritt des Nacherbfalls?
Mit dem Eintritt des Nacherbfalls- wann das der Fall ist, bestimmt der Erblasser, siehe oben- erlischt das Recht des Vorerben. Die Erbschaft geht vollumfänglich, automatisch und unmittelbar auf den Nacherben über. Damit hat der Vorerbe dem Nacherben die einzelnen zum Nachlass gehörigen Vermögensgegenstände herauszugeben, zusätzlich auch das, was er als Ersatz für einen zerstörten, beschädigten oder veräußerten Gegenstand erhalten hat. Kann er dies nicht, so haftet er gegenüber dem Nacherben.
d) Besonderheiten bei Ehegatten:
Ein typischer Anwendungsfall für die Nacherbfolge ist die Errichtung eines so genannten gemeinschaftlichen Testaments. Ein solches kann nur von Ehegatten errichtet werden. Seine Besonderheit liegt darin, dass die Ehegatten ihre jeweiligen letztwilligen Verfügungen voneinander abhängig machen können- man spricht dann von wechselbezüglichen Verfügungen. Liegt eine solche wechselbezügliche Verfügung vor, so ist diese unwiderruflich, sobald einer der Ehegatten verstorben ist.
Dadurch können sich die Ehegatten zunächst gegenseitig als Erben einsetzen, einander also wirtschaftlich absichern, und gleichzeitig bestimmen, wem das Erbe nach dem Tod des überlebenden Ehegatten zustehen soll- beispielsweise den gemeinsamen Kindern. Sie verhindern, dass nach ihrem eigenen Tod der überlebende Ehegatte aufgrund familiärer Veränderungen, etwa einer Wiederverheiratung und/oder des Zeugens weiterer Kinder, anders über das Erbe verfügt als ursprünglich beabsichtigt. Eine solche Absicherung hinsichtlich der Weitervererbung kann auf zwei Arten erreicht werden:
Bei dem Modell der Voll- und Schlusserbfolge (=Einheitslösung) wird der überlebende Ehegatte zunächst Alleinerbe des Erstverstorbenen. Er kann zu Lebzeiten frei und unbeschränkt darüber verfügen. Nach seinem Tod wird dann der Dritte Schlusserbe des gemeinsamen, einheitlichen Vermögens der Ehegatten. Wird von den Ehegatten nichts näheres bestimmt, so sieht das Gesetz im Zweifel die Einheitslösung vor.
Die Ehegatten können aber auch die Nacherbfolge anordnen (=Trennungslösung): Der überlebende Ehegatte wird dann Vorerbe des Erstverstorbenen (mit den oben beschriebenen rechtlichen Folgen, insbesondere den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen), der vorher bestimmte Dritte wird Nacherbe. Dies führt zu einer Trennung der Vermögensmassen: Das Erbe des Erstverstorbenen wird als rechtlich getrenntes Sondervermögen behandelt und dem Dritten als Nacherben weitervererbt; das Erbe des zweitverstorbenen Ehegatten fällt an den Dritten als Vollerben.
Tanja Stier
Rechtsanwältin