Richtigkeitsvermutung bei Zeit- und Ortsangaben in einem Testament

Der Erblasser verstarb im Jahre 2007. Am 29.04.1989 hatte er seine wesentlich jüngere Ehefrau in seinem Testament zur Alleinerbin eingesetzt. Kurz darauf wurde der Erblasser von seiner Ehefrau verlassen. Dies nahm er zum Anlass, das Testament dahingehend zu ändern, dass er nunmehr am 03.10.1989 seinen Neffen zum Alleinerben einsetzte. In seinem letzten Testament vom 20.10.1997 wurde wiederum die Ehefrau als Alleinerbin durch den Erblasser eingesetzt. In dem Testament vom 20.10.1997 hatte der Erblasser nachträglich mit Kugelschreiber den Ort und das Datum dazu gefügt. Nachdem der Erbfall eingetreten war, beantragte die Witwe einen Alleinerbschein. Das Nachlassgericht kündigte diesen mittels Vorbescheid an. Der Neffe, der durch Testament vom 03.10.1998 als Alleinerbe eingesetzt worden war, bestritt im Beschwerdeverfahren die Echtheit des Testaments.
Ein Sachverständigengutachten stellte fest, dass das letzte Testament mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nach vom Erblasser verfasst wurde. Darüber hinaus wurde die mit einem anderen Kugelschreiber angefertigte Niederschrift übe Ort und Zeit einer gesonderten Prüfung unterzogen. Auch diesbezüglich kam der Sachverständige jedoch zum Ergebnis, dass keine Zweifel daran bestünden, dass auch die Niederschrift vom Erblasser verfasst worden sei.

Das OLG München stellte nunmehr fest, dass die Angabe über Zeit und Ort in einem Testament die Bedeutung eines Zeit- und Ortszeugnisses habe. Der Zeit- und Ortangabe wohne auch die Richtigkeitsvermutung inne, bis das Gegenteil bewiesen sei. Für die Widerlegung dieser Vermutung genüge jedoch nicht allein der Beweis, dass die Zeit- und Ortsangabe augenscheinlich erst zu einem späteren Zeitpunkt dazugefügt wurde. Ob das Errichtungsdatum räumlich vor dem eigentlichen Text des Testaments oder danach angebracht worden sei, ändere nichts an seiner Bedeutung für den Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Der Antrag des Neffen wurde daher zurückgewiesen.

Für die Praxis gilt, dass die Orts- und Zeitangabe in einem Testament nicht zwingend notwendig sind. Man sollte jedoch sein Testamen aus Gründen der Rechtsklarheit mit einer Orts- und Zeitangabe versehen. Weiterhin sollten die im Testament Bedachten möglichst zeitnah an der Testamentserrichtung Schriftstücke des Erblassers sammeln, mit denen bewiesen werden kann, dass die letztwillige Verfügung tatsächlich vom Erblasser stammt.

Tanja Stier
Rechtsanwältin