Kindesschutzmaßnahmen bei gesundheitsgefährdendem Wohnen

Hängt der Verbleib in einer gesundheitsgefährdenden Wohnung mit einer Kindeswohlgefährdung zusammen, kann das Familiengericht die fristlose Kündigung an Stelle der Eltern gegenüber dem Vermieter aussprechen und den Eltern die weitere Wohnungsnutzung untersagen.
Im vorliegenden Fall ging es um sozial schwache Eltern, die mit ihren drei Kindern in untragbaren Wohnverhältnissen lebten. Insoweit war die Wohnung verschimmelt, die Abflüsse waren verstopft und es drang Wasser durch Hausflur und Küchenboden ein. Auch ein Befall von Ratten war wahrscheinlich. Die Eltern jedoch waren überfordert und zu nachlässig, um an den Umständen etwas zu ändern. Weder behoben sie die Mängel, noch kündigten sie die Wohnung und suchten Ersatzwohnraum.
Das Amtsgericht untersagte den Eltern die weitere Nutzung der gesundheitsgefährdenden Wohnverhältnisse, ersetzte die von den Eltern unterlassene fristlose Kündigungserklärung als einseitige Willenserklärung und kündigte die Wohnung gegenüber dem Vermieter. Insoweit sah das Amtsgericht diese Maßnahme nach § 1666 BGB als mildestes Mittel im Vergleich zu einem teilweisen Sorgerechtsentzug an. Die Möglichkeit der Ersetzung von elterlichen Willenserklärungen bestand bereits nach altem Recht. Ab Rechtskraft des Beschlusses, wenn es also nicht mehr möglich ist Rechtsmittel einzulegen, dürfen die Eltern die Wohnung auf Grund der gesundheitsgefährdenden Verhältnisse nicht mehr mit den Kindern nutzen. Sie müssen sich vielmehr sofort intensiv und gegebenenfalls mit Hilfe der Behörden um Ersatzwohnraum bemühen. Des Weiteren ordnete das Amtsgericht für ein Kind verpflichtend Kindergartenbesuche an. Auch diese Entscheidung stützt es auf § 1666 BGB. Nicht für veranlasst hält das Amtsgericht derzeit die Anordnung weiterer Maßnahmen, wie z. B. die ambulante sozialpädagogische Familienhilfe.
Es ist im Rahmen von Sorgerechtsverfahren bei Anordnung von Begutachtungen entscheidend, darauf zu achten, dass das Familiengericht das Beweisthema richtig formuliert. Insoweit ist für die Notwendigkeit von Maßnahmen nach §§ 1666 und 1667 BGB die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung maßgeblich. Die §§ 1671 und 1672 BGB orientieren sich hingegen am Kindeswohl.

Tanja Stier

Rechtsanwältin